Was wollen Sie dafür tun, dass die „Charta“ für Dresden erfolgreich umgesetzt wird? Wie stehen Sie zu einer Evaluation und beteiligungsbasierten Weiterentwicklung des Aktionsplans?

Ich stehe voll und ganz hinter der “Europäischen Charta für Gleichstellung von Frauen und Männern” und ihren Zielen und will mit gutem Beispiel vorangehen, um die Umsetzung zu gewährleisten.

Wir brauchen aber mehr als nur Gleichstellung von Männern und Frauen, sondern ein umfassendes Konzept, dass die Bedarfe aller marginalisierter Gruppen und deren Intersektionen in den Blick nimmt. Es braucht einen Blick aufs Ganze, nicht nur auf die
Einzelteile. Eine gezielte Strategie zum Diversity-Management halte ich dabei für eine gute Möglichkeit genau das zu tun. Nur so bleibt Dresden zukunftsfähig - ein attraktiver Standort zum Leben und Arbeiten. Die Stadt muss dabei als eine der größten Arbeitgeberinnen als gutes Vorbild vorangehen. Ein Vorbild kann dabei die Diversity-Management-Strategie der Stadt Köln sein.

Eine Evaluation und beteiligungsbasierte Weiterentwicklung halte ich dabei für sehr sinnvoll, um den Aktionsplan bzw. Strategien des Diversity Managements an neue Entwicklungen anzupassen, an relevanten Punkten zu ergänzen und aktuell zu halten.

Ich halte Vielfalt für eine immense Bereicherung unserer Gesellschaft. Ich bin aber auch davon überzeugt, dass sie begleitet werden muss, um Vorurteile und Diskriminierung abzubauen. Die Verpflichtungen, die für Sachsen aus dem Beitritt zur Charta der Vielfalt folgen, sollten daher auch auf kommunaler Ebene umgehend umgesetzt werden. Eine gezielte Diversity-Strategie, um genau das zu erreichen, z.B. mit Schulungsangeboten zu wertschätzender Kommunikation und einer Dienstvereinbarung zur Vermeidung und Bekämpfung von Diskriminierung am Arbeitsplatz für städtische Einrichtungen und einem amts- und dezernatsübergreifenden Arbeitskreis für Vielfalt, halte ich für zentral. Ein Vorbild kann dabei die Diversity-Management-Strategie der Stadt Köln sein (siehe oben). Beraten könnte dabei das Queere Netzwerk Sachsen.
Zusätzlich müssen queere Selbsthilfestrukturen und Netzwerke durch dauerhafte organisatorische und finanzielle Unterstützung ausgebaut werden. Geschlechtliche Vielfalt muss in Angeboten und Strukturen der Kinder- und Jugendhilfe, sowie in allen städtischen Sozialen, Erziehungs-, Bildungs- und Beratungsbereich berücksichtigt werden, um eine diskriminierungsfreie Entwicklung zu gewährleisten.

Die Finanzierung für viele Projekte ist extrem knapp. Das wird der Wichtigkeit der Projekte auch nicht immer gerecht. Zudem sind viele Projekte der letzten Jahre in ihrer Finanzierung an der Stimme des bisherigen Oberbürgermeisters gescheitert. Mit vielen Anstrengungen ist es uns als SPD über die letzten Jahre aber auch gelungen, Gelder für Projekte freizuschaufeln, die es sonst nicht geben würde. Die Rettung des Gerede e.V., die auf die Initiative u.a. der SPD zurückgeht, ist hier ein Beispiel. Das hängt ehrlicherweise nicht allein von den Entscheidungen im Dresdner Rathaus hat. Viele Förderprogramme stellt der Bund und das Land zur Verfügung. Ich werde mich mit meinen guten Kontakten in die Bundesund Landesregierung dafür einsetzen, dass Diversity-Programme weiterhin auskömmlich finanziert werden und da wo Dresden bestehende Lücken geschlossen werden müssen, möchte ich mich als Lösungssucher in die Prozesse des Stadtrats einbringen. Hier gilt auch: wer eine progressive Politik will, muss auch eine Person wählen, die dafür steht.

Als OB in Dresden stehen mir dafür zwei Wege zur Verfügung. Zum einen verändere ich durch eine generelle Diversity-Strategie aktiv die Abläufe und Perspektiven innerhalb der städtischen Verwaltung und anderen städtischen Einrichtungen (z.B. Kitas und Schulen). Die bisherigen Angebote wie Girls und Boys Day der Stadt Dresden reichen an dieser Stelle nicht aus. Wir müssen deutlich früher ansetzen als zu dem Zeitpunkt, wo sich Kinder für
zukünftige Berufe interessieren. Das fängt schon bei den Kleinsten in der Kita an, und geht über die Schule bis ins Erwachsenenalter. Schulungen für gendersensible Pädagogik in Kitas und Schulen halte ich dabei für ein mögliches Mittel, aber auch Schulungen in der Verwaltung. Zusammenarbeiten könnte man dort beispielsweise mit dem Genderkompetenzzentrum Sachsen. Weiterhin kann ich mich für Maßnahmen einsetzen, die den Gender Pay Gap beseitigen und auch beim Gender Care Gap auf Maßnahmen hinwirken, indem z.B. in städtischen pädagogischen Einrichtungen die Löhne angepasst werden - Fürsorgearbeit wird bei uns lange nicht so geschätzt, wie sie geschätzt werden
sollte. Zum anderen wirke ich als Vorbild in die Stadtgesellschaft hinein, indem ich mich persönlich für die Förderung von entsprechenden Projekten einsetze. Gesellschaftliche Anerkennung haben wir erst dann erreicht, wenn alle frei und ohne Angst vor Diskriminierung hier in Dresden leben können. Das wird eine Zeit dauern, aber überall dort, wo ich kann, werde ich alles dafür Notwendige in Bewegung setzen.

Man muss es so klar sagen: Dass Dresden die letzten sieben Jahre immer wieder zur Bühne für Aufmärsche der extremen Rechten wurde und sich ein falsches Bild über Dresden verfestigen konnte, liegt auch an der mangelnden Klarheit und Haltung von Dirk Hilbert in den letzten sieben Jahren. Der größte Teil der Dresdner Gesellschaft ist genervt von den rechten Aufmärschen in unserer Stadt. Dresden ist so viel mehr. Aber es hat jahrelang jemand an der Stadtspitze gefehlt, der symbolisch in der ersten Reihe stand. Es hat jemand gefehlt, der eine übergreifende Bündnispolitik macht, um diesem Missbrauch Dresdens wirklich etwas zusammen entgegensetzen. Um wirklich das Bild zu ändern. In anderen Städten funktioniert das ja auch.
Die Wahl zum Oberbürgermeister ist deswegen eine große Chance für unsere Stadt: Wir können das erste Mal nach 1990 endlich eine breite Bündnis- und Netzwerkarbeit etablieren.
Ich möchte als Oberbürgermeister ein starkes gesellschaftliches Bündnis aufbauen für eine weltgewandte Stadt, deren Fundament eine offene, demokratische und solidarische Gesellschaft bildet. Dafür brauchen wir einen Schulterschluss für Respekt in der Stadt. Dresden verdient eine breit aufgestellte Zivilgesellschaft, die gemeinsam mit Kultur, Wissenschaft und Wirtschaft vielfältig global und vor Ort vernetzt ist. Als Oberbürgermeister werde ich bei diesem Bündnis an der Spitze stehen und so ein dringend notwendiges Zeichen an die ganze Stadtgesellschaft aussenden. Ich werde Dresden und insbesondere die Behörden der Stadt zu einem Vorbild machen, damit Menschen beim Kontakt mit der Verwaltung, aber auch direkt in der Stadt sicherer sein können. Wir brauchen dafür rassismuskritische und kultursensible Weiterbildungen und Schulungen in städtischen Einrichtungen, eingebettet in ein größeres Diversity Management. Denn wir alle sind in der Verantwortung uns und unsere Handlungen zu reflektieren und weiterzubilden. Dazu gehört auch, unsere Einstellungspolitik zu verändern: Repräsentanz ist hier ein wichtiges Werkzeug. Wir müssen dafür sorgen, dass mehr Frauen, mehr Menschen mit Flucht und Migrationsgeschichte und mehr Menschen mit Beeinträchtigungen in den verschiedensten Bereichen der Stadtverwaltung und behördlichen Anlaufstellen arbeiten. Für Behördengänge müssen Dolmetscher*innen zur Verfügung stehen, wo benötigt - und das schließt die Deutsche Gebärdensprache mit ein.
Auch das Thema Job- und Wohnungssuche treibt mich um. Gerade da kann die Stadt Dresden über ihre eigene Wohnungsbaugesellschaft “Wohnen in Dresden” (WiD) dafür sorgen, dass Menschen bei der Wohnungssuche eben nicht diskriminiert werden. Und das gestaltet auch den restlichen Wohnungsmarkt mit.
Und für mich und die ganze SPD Dresden ist schon lange klar: bei den Kommunalwahlen sollten alle wählen dürfen, die hier dauerhaft wohnen! Wählen zu dürfen führt nämlich auch dazu mitmachen zu wollen - und genau das wollen wir ja: dass sich so viele Menschen wie möglich einbringen wollen und können. Dazu gehört auch, die vielen migrantischen Initiativen zu fördern und den Integrationsbeirat zu stärken. Ein wichtiges und meiner Meinung nach leider oft ungenutztes Mittel ist, Menschen auch zu ermutigen, sich einbürgern zu lassen. Das ist der einfachste Weg, um auch über Wahlen mitbestimmen zu können, und ich möchte die städtische Verwaltung dazu befähigen, kultursensibel und menschenfreundlich diese Einbürgerungen zu begleiten.